Es liegt in der Natur des Menschen, schleichenden Misständen zunächst mit Humor zu begegnen. Ebenfalls seiner Natur entspricht, dass ihn diese anfängliche Leichtsinnigkeit, sei es aufgrund technischen Unverständnisses, Abarbeiten strikter Befehlsketten ihm aufgezwungener Interessenvertreter, ob eigener Faulheit, kaum verfügbarer zeitlicher Ressourcen, einfach aus Dummheit, schneller in ärgste Bedrängnis bringen kann, als ursprünglich beabsichtigt war. Ein Beispiel:
(Quelle)
Beim Thema Drohnen, einem der wichtigsten der momentanen Dekade, und wahrscheinlich auch weiterer, die kommen, findet derzeit ein Prozess statt, der von zahlreichen Medien und sonstigen Vertretern anderer Couleur gnadenlos heruntergespielt wird. Als Leser kann man sich nun aussuchen, welchem der oben aufgeführten Gründe dies entsprechen mag. Das fällt mal mehr, mal weniger schwer.
Neben den technisch (noch) völlig unmöglichen und rein aus Spaß heraus erdachten Plänen eines weltweit agierenden Internetversandhändlers, zukünftig Pakete seiner Kunden mit Drohnen zuzustellen, sofern diese in einem Umkreis von höchstens 16km entfernten Versandzentren wohnen [via], hat es sich auch die Deutsche Post nicht nehmen lassen hier herumzu-spin-nen: Sie testete vor zwei Tagen erst einen sogenannten „Paketkopter“, der medienwirksam mit einem kleinen Päckchen 50 Meter weit fliegen konnte.
Anhand des Post-Drohnen-Beispiels kurz, schließlich fand der „Spaß“ hierzulande unter Verwendung der deutschen Sprache statt, was man unter einem beispielhaften Spin versteht:
* Einladungen an diverse Medienvertreter, vornehmlich mit Kameras (am besten die größten Idioten in dem Feld, technische Kompetenz ist nicht erwünscht)
* dem Platzieren eines „Publikums“ (kann, muss nicht mal echt sein. Ebenfalls bloß keine Technik-Freaks!)
* das „Publikum“ sollte durch die größte Kleinigkeit begeistert werden können (ausgiebiges Lachen, Klatschen, etc.; Vorhandensein von Intelligenz nicht erwünscht)
* deutliches Ansagen diverser populärer Claims, z.B. aus dem militärischen Bereich, wie:
„Der Adler ist gelandet!“
„Lufthoheit!“
„Forschungsprojekt!“
„Spannende Technologie!“
„Deutliche Vorteile!“
„Weiterentwicklung der Technik!“
„Wird nie krank!“
„Arbeitet immer!“
* dem Herunterspielen für das Umsetzen tatsächlicher Pläne, wie
„Noch lange hin!“
„Noch gar nicht gesetzlich geregelt!“
„Braucht Weiterentwicklung!“
„Viel zu teuer!“
„Akku zu schwach!“
Das Schlimme bei Drohnen ist, das war aber bereits bei GPS und dem frühen Internet beobachtbar: Es wird erst militärisch entwickelt und eingesetzt, danach in der freien Wirtschaft, und am Ende verkauft man es als die totale Befreiung und etwas tatsächlich Gutes. In Wirklichkeit aber wird es permanent missbraucht, es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, ist zeitweise unkontrollierbar und es schadet dem Individuum.
Der Unterschied: Wir können mittlerweile selbst diesen Prozess verfolgen. Bei Drohnen noch viel besser wie bei GPS und Internet/ARPANET, denn wir haben plötzlich die Werkzeuge dafür.
Die Geschichte der Drohnen ist eng mit militärischen Zwecken verknüpft. Das ist kein Geheimnis, die Idee gibt es, seit der Mensch sich aufgemacht hat die Lüfte zu erobern. Dass es bisher einfach nicht beachtet wurde ist das Besorgniserregende. Und derzeit, das ist noch viel besorgniserregender, gibt es ernsthafte und konsequente Bemühungen von unterschiedlichsten Seiten das herunterzuspielen.
Bereits damals gab es massenhaft Überlegungen und Fragen, die heute einfach nicht mehr gestellt werden:
– wer steuert die Drohnen?
– wem steht eine Lizenz dafür zu?
– mit welcher Technik werden diese Dinger genau ausgestattet sein?
– Konsequenzen für Mensch und Tier?
– was genau soll dadurch eigentlich „besser“ werden?
Dass es eben _nicht_ gut ist, was in dem Bereich derzeit passiert, habe ich kürzlich erst verlinkt: Der Proxykrieg: Hipster-Version.
Schon alleine die Bezeichnung des seit 2002 (spätestens!) stattfindenden Krieges mit dieser Technik lässt aufhorchen: Unter normalen Umständen sollte der Begriff seit dem Ende des Kalten Krieges keine reale Anwendung mit militärischen Mitteln mehr darstellen. Stellvertreterkrieg hat es danach in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. In Bezug auf diesen Artikel von mir bedeutet das, es ist ein Krieg der
I) in den Medien nicht erwähnt und/oder verarbeitet wird
II) weitestgehend im Verborgenen stattfindet und das auch bleiben soll
III) aus der Ferne geführt wird, als wäre Krieg ein Videospiel
IV) aus der Ferne geführt wird, als wäre Krieg rein virtuell und es gäbe keine realen Menschenverluste
V) ein, wenn nicht das Paradebeispiel eines asymmetrischen Krieges
Überlegen ist in diesem Krieg der, der die bessere Technik besitzt. Soziale Kompetenzen sind hier unnötig. Ebenso legt man außer auf die Reaktionszeit keinerlei Wert auf irgendwelche menschlichen Fähigkeiten. Das nächste Ziel, so kann man es aus Artikeln lesen, ist noch nicht einmal mehr das Vorhandensein eines menschlichen Operators, sondern autarke Tötungsmaschinen. Denkbar sind sprach- oder gestengesteuerte Computerprogramme, die messerscharfe Algorithmen ausführen, überall auf dem Planeten und wohl auch im Weltall, und sich sogar durch eigenes Handeln und Erfahrung selbstständig weiterentwickeln können.
Das 21. Jahrhundert wird nicht witzig, lasst euch hier bloß keinen Scheiß erzählen. Es gibt nach wie vor akute „alte“ Bedrohungen wie Kernwaffen, Überbevölkerung, Klimawandel, die angepackt werden müssen, soll es die nachfolgenden Jahrhunderte weiterhin einen Planeten Erde im Sonnensystem geben. Drohnen so zu sehen als wären es irgendwelche Spielzeuge, lustige Robotniks, die man sich gegenseitig unter den Weihnachtsbaum legen kann, ist schon aufgrund der Geschichte dieser Technik nicht nur gefährlich, sondern saudumm. Und wer es noch nicht wusste, großes Sorry: MacGyver wird es _nicht_ regeln. Für vieles ist es, leider, leider, bereits zu spät. Wer das noch nicht verstanden hat, der soll halt einfach Kuchen kaufen, wenn es kein Brot mehr gibt.
„And I can see them in my eyes when they’re closed, I can feel them at night/
I can feel them plot a course through the sky, I believe in their flight/
Drones over Brooklyn/
Dr-Drones over Brooklyn/“ – El-P, Cancer 4 Cure LP, Track #4, 2012
„And I can see them in my eyes when they’re close,
I can feel them at night, I can feel them plot a course through the sky, I believe in their flight
Drones over Brooklyn, Dr-Drones over Brooklyn“
Diese Zeilen stammen von El-P aus seinem letztjährigen Langspieler „Cancer 4 Cure“, dem insgesamt vierten Studioalbum.
Jetzt ist New York ja so fürchterlich weit weg und das mit den Drohnen ist ja sowas von an den Haaren herbeigezogen!1! NOT:
„Per Luftüberwachung durch Drohnen will die Deutsche Bahn laut einem Bericht der Zeitung Bild am Sonntag gegen Graffitisprüher vorgehen. Die Drohnen sollen nur auf dem Bahngelände eingesetzt werden und die Sprüher filmen. Dem Zeitungsbericht zufolge sollen die Tests in den kommenden Wochen beginnen.“ [via]
In diesen Geräten werden zusätzlich Wärmebildkameras(!) zum Einsatz kommen. Außerdem wird permanent(!) der Standort per GPS ermittelt und gespeichert. Bemalt werden diese Drohnen, jetzt kommt’s, in Bahnfarben(!). Sie sind bis zu 54km/h schnell und erreichen eine Maximalhöhe von 150 Meter, wobei sie 80 Minuten am Stück im Einsatz bleiben können.
Puh, das sind gleich dermaßen viele Verstöße gegen Moral, Gewissen und Rechte von Menschen, dass es bereits beim Lesen schmerzt.
Wieso stattet die gute DB diese Drohnen nicht noch gleich mit Präzisionswaffen aus? Und exportiert diese Dinger dann in Brennpunktregionen der Weltpolitik wie Iran, Syrien oder Afghanistan? Die Deutschen waren schon immer sehr gründlich in dem, was sie gemacht haben. Ich hasse dieses Land.
Diese Drohnen-Entwicklung wird wirklich kommen, hier gibt es rein gar nichts zu beschönigen. Die Triebfeder dieser Bewegung speist ihre Energie durch praktische Anwendungen und Entwicklungen aus den USA. Und unsere Herren und Frauen Minister, siehe Beispiel Prof. Dr. rer. nat. de Maiziere, laufen schön in Reih und Glied hinterher. Das ist DER Shit, noch größer als Google, Facebook und Apple zusammen. Das ist ist was Greifbares, Hochtechnologie für Leute über 50, die nie wirklich gepeilt haben, was Hochtechnologie eigentlich bedeutet. Für die war Glotze, Radio, Kalter Krieg und ein gutmütiger und guter(!) Onkel Sam die Realität. Und da kommen sie jetzt nicht mehr heraus.
Wirklich zum Kotzen ist, dass ich sowas immer vorher wissen muss. Das Album von El-P ist ein sehr gutes, erschien aber schon letztes Jahr. Das heißt, ich kann seit 12 Monaten auf dieses Wissen zurückgreifen. Und jetzt kommt die Bahn und verkauft uns das als was Neues. Perpetual Bullshit. Hoffentlich scheitern sie an den Kosten, in Zeiten von „Stuttgart 21“ gar nicht so unwahrscheinlich: Eine dieser Überwachungs-Büchsen wird (mindestens) 60.000€ kosten.