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Artikel-Schlagworte: „assange“

Assange ist endlich frei

Der wichtigste Journalist im Westen und Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks ist endlich frei.

Es wird ein seltsamer Deal, aber wenn alle Seiten mit erhobenem Haupt aus der Sache hier rauskommen, ist auch schon was gewonnen:

  • Assange reist zunächst auf die Nördlichen Marianen. Das ist ein Niemandsland im Pazifischen Ozean zwischen Japan im Norden und Papua Neu-Guinea im Süden
  • da sich dort ein US-Bundesbezirksgericht befindet, kann er verurteilt werden für „Verschwörung zur Preisgabe von Geheimnissen über die militärische Verteidigung der Vereinigten Staaten von Amerika“. So wahrt der aktuelle US-Präsident und die USA ihr Gesicht
  • der Prozess findet am 26.06.24 um 9 Uhr Ortszeit statt
  • das Strafmaß wird noch am selben Tag von Richterin Ramona Manglona verkündet
  • anschließend darf Julian Assange endlich, nachdem er von Großbritannien und Ecuador 2018 auch noch krass verraten wurde, in sein Heimatland Australien ausreisen

[via]

Wenn Geschichtsschreiber in hundert oder so Jahren über uns im Westen und die Presse- und Meinungsfreiheit urteilen werden, wird dieser Fall hier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als krasses Negativbeispiel herhalten müssen. Für mich war das analog wie das Schweigen der „Silent Generation“ zu den Naziverbrechen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Ein absolutes Nogo, ein Paradebeispiel westlicher Heuchelei und innerer Verschwörung. Ein perfekter (komplett asozialer) Politkrimi, nur leider Zeitgeist und harte Realität. Unsere „Freiheit“ ist scheinbar auch nur eine auslegbare Illusion, wie dieser Fall hier seit mittlerweile 14 langen Jahren zeigte. Beide Mittelfinger hier von mir in die Fresse der USA, Großbritannien und leider am Ende auch Ecuador.

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danke und alles gute, julian assange

Mit seinen erst 30 Jahren ist das WorldWideWeb eine immer noch recht junge, technisch hochentwickelte, revolutionäre Erfindung. In dieser relativ kurzen Zeit haben wir einer spezifischen Bewegung sehr viele reale, kryptographische Errungenschaften zu verdanken: Cypherpunks.

Horn reviews Cypherpunks Assange

Das WWW war die Plattform, mit der sicherheitsrelevante Gedankengänge und Ideen, die nur einer kleinen Schar elitärer Zirkel zur Verfügung standen, für jeden Nutzer des Web verfügbar sein konnten und sollten.

Ein Abriss.

Es startete mit der asymmetrischen Verschlüsselung von EMails bereits in den 70ern und 80ern des 20. Jahrhunderts. Heute kennt jeder Emailnutzer PGP/OpenGPG und viele Entwickler und Visionäre sind sogar mit eigenen Algorithmen hier verewigt (Beispiel Diffie-Hellman-Schlüsselaustausch-Protokoll, RSA (Rivest-Shamir-Adleman), etc.). Meine eigenen Experimente hier gehen zurück bis ins Jahr 2005 (Beispiel webmaster@net-designz.de und Kennung E01AED3DEEACF9C3) und wurden leider nur sporadisch zum Einsatz gebracht aufgrund legendärer Kommentare meiner Emailpartner wie „zu komplizierte Einrichtung“ oder „privaten Schlüssel verloren“.

1990 gründet sich die Electronic Frontier Foundation (EFF) zur Stärkung und Durchsetzung von „Internet-Bürgerrechten“.

Mit SSH 1.x entstand an der Universität Helsinki Mitte der 90er durch Tatu Ylönen gar ein Standard um den kompletten Netzwerkverkehr zu verschlüsseln. Heute wählt sich jeder z.B. von seinem PC oder Laptop per SSH auf einem scheckkartengroßen Linux-PC, dem „Raspberry Pi“, standardmäßig über die Konsole zur Administration ein.

Zur selben Zeit hatte die legendäre Cypherpunks-Mailing-Liste ca. 700 Abonnenten und wuchs bis Ende 1997 auf ca. 2000. Über diese Liste tauschten sich Aktivisten, Hacker und Interessierte wie John Gilmore und Julian Assange zu Themen wie „privatsphäre-erweiternde Technologien“ und Kryptographie aus.

In den 90ern entsteht ebenso das „Cypherpunk-Manifest“ (A Cypherpunk’s Manifesto). Essentielle Ideen lauten so:

„Privacy is necessary for an open society in the electronic age. … We cannot expect governments, corporations, or other large, faceless organizations to grant us privacy … We must defend our own privacy if we expect to have any. … Cypherpunks write code. We know that someone has to write software to defend privacy, and … we’re going to write it.“ [via]

Der Mainstream greift das Thema im selben Jahrzehnt u.a. durch das „Wired“-Magazin auf.

Der Kampfbegriff „crypto wars“ folgt kurz darauf. Vor allem die US-Regierung versucht mit alliierten Verbündeten in jenem Jahrzehnt die Öffentlichkeit und nicht zur Allianz zugehörige Regierungen davon abzuhalten, elektronische Kryptografie-Technologie zu benutzen, oft mit der Drohung eigener Geheimdienste.

Kryptographie-fähiger Programmiercode fiel bis ins Jahr 2000 gar in die Kategorie einer Waffe und der Export war bis in diese Zeit durch US-Recht verboten.

Bram Cohen entwickelt und veröffentlicht 2001 BitTorrent, ein Datenübertragungsprotokoll auf P2P-Basis für Daten und elektronische Dateien.

2002 entsteht das TOR-Netzwerk, eine OpenSource-Software zur anonymen Kommunikation. Über unzählige Relays entsteht ein komplett neues Netzwerk, das „Dark Web“, mit eigenen TOR-Browsern, Marktplätzen, Wikis, Chat-Systemen.

2006 gründet sich in Island WikiLeaks, eine Enthüllungsplattform des australischen Internetaktivisten Julian Assange. WikiLeaks unterhält nach eigenen Angaben bis 2016 zehn Millionen Dokumente über News-Leaks, Whistleblower- und geheimgehaltene Regierungsinformationen. Motto: „WikiLeaks bringt wichtige Informationen an die Öffentlichkeit. Wir stellen eine sichere, innovative und anonyme Möglichkeit unseren Quellen zur Verfügung Informationen an unsere Journalisten weiterzugeben“. Publikationen geschehen oft roh und komplett unzensiert. Eine Übersicht über acht spektakuläre Leaks, allein bis 2010, findet sich z.B. hier.

2008 wird „Bitcoin“ der Öffentlichkeit durch ein Whitepaper vorgestellt, eine dezentrale Kryptowährung, die staatlichen Konkurrenz machen soll und die bereits in der Betaversion wirklich funktioniert. Bis heute kann jeder Interessierte an der Weiterentwicklung des Quellcodes mitmachen und die Blockchain mitprägen.

2014 bringt der ehemalige NSA-Systemadministrator Edward Snowden durch die unerlaubte Veröffentlichung von internen Dokumenten globale Überwachungsprogramme der NSA ans Licht der Öffentlichkeit. Der zuerst nach Hongkong geflüchtete und mittlerweile in Russland durch das Asylrecht beschützte Computerexperte konnte auf populäre und weltbekannte Nachrichtenmedien wie „The Guardian“, „Washington Post“, „DER SPIEGEL“ und „The New York Times“ für die Veröffentlichungen zählen.

„The Guardian“ war gestern, 11. April 2019, einem sehr düsteren Tag für Cypherpunks und Internetaktivisten wie frei arbeitenden Journalisten weltweit gleichermaßen, auch die erste Quelle, die mir ins Bewusstsein brachte, dass wir uns derzeit in keiner guten, optimistischen und sicheren Zeit der Menschheitsgeschichte befinden:

https://theguardian.com/media/live/2019/apr/11/wikileaks-founder-julian-assange-arrested-at-the-ecuadorean-embassy-live-updates.

Hierbei handelt es sich um den Live-Feed von der Verhaftung des Internetaktivisten und WikiLeaks-Gründers Julian Assange.

Auch deutschsprachige Medien wie SPIEGEL ONLINE und heise.de berichteten kurz darauf ebenfalls davon.

Vermutet wird eine geplante und koordinierte Aktion Ecuadors unter Druck der USA und Großbritannien. Dafür spräche auch die krude Aberkennung des Asylstatus, den Julian Assange erst Ende letzten Jahres von der linksgerichteten Vorgängerregierung Lenin Morenos erhalten hatte und die „Einladung“ der britischen Polizei durch den ecuadorianischen Botschafter.

Wie auch immer dieser Fall jetzt ausgehen mag, die Aktion bedeutet nichts Gutes.

Für die Demokratie nicht, und die Freiheit leider auch nicht.

Darüberhinaus waren die Bilder, die gestern publiziert wurden durch ein Video und der aktuelle Zustand Assanges eines Menschen unwürdig. Es ist nicht klar, was dort die letzten Monate vorgefallen sein muss. Ebenfalls unklar ist, was sieben Jahre geschlossene Räume aus einem Internetaktivisten auf englischem Botschaftsterritorium anrichten können.

Stattdessen fragten manche lieber, welches Buch Assange dort in der Hand beim „Abtransport“ hält oder was nun aus der „Embassy Cat“ würde. Geht’s noch!? Wie immer nichts Neues im traurigen Westen.

Die Ironie der Geschichte will es am Ende sogar so, dass das Bilder eines russischen Übertragungsteams waren.

Auch die besten Worte, fand ich, publizierte das russische Außenministerium durch Maria Zakharova bereits um 11:14 Londoner Zeit mit seiner Kritik:

„Die Hand der „Demokratie“ zerdrückt die Kehle der Freiheit.“

Julian, mit diesem Text möchte ich und gizmeo.eu dir danken für wundervolle Jahre der Inspiration, des Mutes, der Intelligenz, und viele, oftmals auch sehr komplizierte Anregungen zu Themen wie Kryptographie, Onlinejournalismus und Webpublishing! Der gestrige Tag hätte nie passieren dürfen. Die Idee von WikiLeaks wird weiterleben. Und Cypherpunk erst recht. Wir. Sind die Zukunft.

„They know we know who they are. They will fall.“ – El-P, ehemals „Company Flow“

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